2025 Geht zu Ende und Raphael Wilder stand uns Rede und Antwort

Zum Jahresende stand uns Raphael Wilder für ein Interview zur Verfügung. Wie er den bisherigen Saisonverlauf einordnet, warum Lars Wendt der richtige Coach für die Miners ist und was er sich für die Zukunft und Basketball in Essen wünscht, teilte er uns in bekannt offener und direkter Manier mit.

Rückblick & Emotionen


Du bist nun seit einigen Jahren Teil der ETB-Miners-Familie. Wenn du auf dein Engagement bei den Miners zurückblickst: Was sind die Momente oder Entwicklungen, an die du dich besonders gerne erinnerst – und warum?

„Als ich nach Essen gekommen bin, war der Verein mit seiner 1. Mannschaft in der 2. Regionalliga unterwegs und hat hauptsächlich in der Helmholtz-Halle gespielt. Das Ziel, das die Geschäftsführung mir damals aufgetragen hat, war der Aufstieg von der 2. Regionalliga in die 1. Regionalliga und mittelfristig dann der Sprung in die ProB. Wenn man solche Ziele erreichen will, muss man die Strukturen im Trainings- und Spielbetrieb ganz klar verändern. Deshalb war eine der Bedingungen, dass wir hauptsächlich in der Sporthalle Am Hallo spielen und auch dort trainieren würden. Dass Corona uns dabei einen Strich durch die Rechnung gemacht hat, war zum damaligen Zeitpunkt natürlich nicht vorhersehbar. Dennoch denke ich, dass es einer der wichtigsten Punkte war, die Halle Am Hallo zu nutzen, um die nötige Professionalität und Trainingsintensität zu erhöhen, was dann ja auch mit dem Abklingen der Pandemie forciert wurde. Ebenso wichtig war, dass es möglich gemacht wurde, Strukturen zu schaffen, die auswärtigen Spielern Wohnungen und das ein oder andere Auto zu ermöglichen, um uns spielertechnisch überhaupt breiter aufstellen und über die regionalen Grenzen hinaus denken zu können. Das sind die Momente, an die ich mich gerne zurückerinnere, weil es viel Überzeugungskraft gekostet hat, all dies gemeinsam mit dem Vorstand und der Geschäftsleitung umsetzen zu können, um am Ende sehen zu können, dass wir diese Erfolge aufgrund der geschaffenen Strukturen auch feiern konnten. Think Big war hier ganz klar das Motto, das den Wunsch nach Aufstieg und höherer Professionalität zur Realität hat werden lassen.“

Saisonverlauf 2025/26

Die Miners sind von Anfang an auf einem wahnsinnig hohen Level in die Saison 2025/26 gestartet – und das erstaunlicherweise mit einer komplett neuen Mannschaft, die zu einem nicht unwesentlichen Teil aus Spielern mit wenig oder keiner ProB-Erfahrung besteht. Dennoch war das Team von Beginn an sofort da und hat auf einer Ebene gespielt, die nach einer solch großen personellen Umstellung nicht erwartbar war.

Andere Teams dagegen mussten sich anscheinend noch zusammenfinden und haben sich nach und nach im Verlauf der Hinrunde in ihrer Performance gesteigert. Nach einer so starken Hinrunde ist es sicherlich schwer, die Leistungen der Miners noch zu steigern, da sie sich ohnehin schon auf einem Topniveau befinden. Wie siehst du die Saisonentwicklung vom Start bis zur Winterpause – und was kommt noch?

„Der Auftrag in diesem Jahr war es, eine Mannschaft zusammenzustellen, die als allererstes das Ziel hat, nicht abzusteigen – nicht mehr und nicht weniger. Sollte dieses Ziel für uns erreichbar sein, haben wir uns als zweites Ziel gesetzt, die Playoffs zu erreichen. Nur darauf ist die Mannschaft zusammengestellt worden. Zu keinem Zeitpunkt waren die Top 4 oder der Aufstieg ein Thema. Mir ist wichtig, dass das auch einmal so deutlich ausgesprochen wird. Der 1. Platz, auf dem wir aktuell verdient stehen, ist für mich überraschend. Das ist nur passiert, weil die Mannschaft eine überragende Leistung abgerufen hat, mit der ich in diesem Ausmaß nicht gerechnet habe. Intern haben Lars und ich gehofft, eine erfolgreiche Mannschaft zu haben, dennoch war das so und in dieser Form nicht erwartbar. Die Hinrunde ist für uns sehr gut gelaufen. Ob wir aber eine solche Runde noch einmal haben werden, weiß ich nicht. Es ist nämlich nicht selbstverständlich, dass wir jedes Spiel gegen Mannschaften gewinnen, die sich im Saisonverlauf weiterentwickeln und nun ebenfalls auf dem Level spielen, auf dem wir gestartet sind und immer noch spielen. Die Erwartungshaltung einiger Fans, jedes Spiel gewinnen zu müssen, ist aus der Luft gegriffen. Und ich frage mich manchmal wirklich: Warum wird das erwartet? Das ausgesprochene Ziel war nämlich „nur“, den Abstieg zu vermeiden und – wenn das gelungen ist – die Playoffs zu erreichen.“

Entwicklung von Lars Wendt

Die Fans wissen, dass du und Lars Wendt euch schon lange kennt. Wie bewertest du seine Entwicklung vom Spieler, der verletzungsbedingt aufhören musste, hin zu einem der Top-Trainer der ProB? Siehst du in seiner Art zu coachen auch ein Stück deiner eigenen Handschrift – und was macht Lars für dich als Coach so besonders?

„Die Entwicklung von Lars ist großartig und könnte kaum besser sein. Er hatte schon als Spieler sehr viel Ahnung von Basketball, hat selbst gute Trainer gehabt und generell viel mitgenommen. Coachen ist natürlich etwas ganz anderes als selbst zu spielen. Nachdem er seine B-Lizenz gemacht hat und das Spiel ohnehin verstanden hat, hat er sich in den letzten drei Jahren wirklich sehr, sehr gut entwickelt. Heute achtet Lars auf viel mehr Dinge, auf die er als Spieler natürlich nicht geachtet hat, denn jetzt muss er Spieler bewerten und auf sie eingehen. Klar sehe ich da ein Stück meiner Handschrift, denn wenn du als Rookie startest, kannst du nicht sofort alles. Da wir das Ganze ein Stück weit zusammen machen, hat meine Erfahrung ihn – neben seinen eigenen sehr guten Ideen – dabei unterstützt, sich weiterzuentwickeln. Was Lars besonders macht, ist, dass er sehr gut Kritik annehmen kann, sich beraten lässt und dabei trotzdem versucht, seinen eigenen Weg zu gehen. Das ist super wichtig und das macht er absolut gut. Durch all diese Eigenschaften ist er immer besser geworden, und ich denke, dass er mit der Zeit ein noch besserer Coach werden wird, dem ich noch mehr zutrauen würde, wenn er das Ganze hauptberuflich machen würde.“

Perspektive ProA & Ambitionen

Du betonst regelmäßig, wie wichtig eine volle Halle und laute Essener Fans sind – völlig zurecht. Angenommen, die Rahmenbedingungen stimmen weiterhin und sportlich greift alles ineinander: Würdest du auch in der ProA noch einmal voll angreifen und gemeinsam mit Lars und der Geschäftsleitung alles investieren, um die Miners dort erfolgreich zu etablieren?

„Ich persönlich habe zum jetzigen Zeitpunkt für die nächste Saison noch keine Pläne. Ich plane immer nur für ein Jahr.“

Verletzungen & Belastungssteuerung

Die vergangene Saison war stark von Verletzungen geprägt. In dieser Spielzeit scheint das Team – zumindest öffentlich – deutlich stabiler zu sein. Hat sich etwas an der Trainingssteuerung oder Intensität geändert? Gibt es ein „Erfolgsrezept“ oder spielt vor allem die Professionalität der medizinischen und physiotherapeutischen Betreuung eine entscheidende Rolle?

„Ich möchte das Wort Verletzung eigentlich gar nicht in den Mund nehmen, denn darüber spreche ich sehr ungern. Wir sind in dieser Saison bislang fast komplett davon verschont geblieben, obwohl wir nichts an der Trainingssteuerung oder Intensität verändert haben. Ich glaube sogar, wir trainieren etwas mehr als in der letzten Saison. Die professionelle medizinische und physiotherapeutische Betreuung ist überragend und noch einmal besser geworden. Das haben wir hauptsächlich Christian Müller und seiner Manufaktur zu verdanken. Bei den kleinsten Anzeichen können die Spieler sofort zu ihm kommen, und er hilft uns immens. Es gibt kein Erfolgsrezept, das uns vor größeren Verletzungen schützt – und das ist auch gut so. Das soll bitte auch so bleiben.“

Blick nach vorn (Fan-Frage)

Abschließend: Was wünschst du dir persönlich für die weitere Entwicklung der ETB Miners Essen – sportlich, strukturell und im Zusammenspiel mit den Fans?

„Strukturell kann man immer noch etwas verbessern, momentan sind wir aber sehr gut aufgestellt. Die Halle sollte mindestens so voll sein wie beim letzten Spiel des Jahres 2025 gegen Herten, denn eine volle Halle ist die einzige Belohnung für die Mannschaft und der Schlüssel dazu, Basketball auf einem sehr hohen Niveau auch langfristig in Essen sehen zu können. Wir brauchen die Unterstützung bei jedem Spiel, egal, wer der Gegner ist. Die Fans sollen in die Halle strömen und Basketball in Essen zu einem Event machen, das nicht mehr wegzudenken ist. Genau das wünsche ich Essen, damit man irgendwann auch in den nächsthöheren Ligen spielen kann. Dafür ist eine volle Halle einfach notwendig.“

Dann bedanken wir uns bei dir für deine Zeit und die offenen Worte. Auf dass die Saison in 2026 weiter so erfolgreich verläuft und dich selbst an der ein oder anderen Stelle überrascht.

Foto: Roland Schicho

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